Tuesday, December 27, 2005

Die besten Platten des Jahres

#3 Antony & The Johnsons: I Am A Bird Now (Secretly Canadian)


Und dann war da diese Stimme. Roh, ungeschliffen und naturbelassen, mit scharfen Kanten; fragil wie ein Glasprisma, durch das Antony seine intimen Beichten bricht. Der unwiderstehlichen Schönheit dieses Gesangs, lassen die sparsam gesetzten Klavierakkorde genügend Freiräume, während aufwühlende Bassläufe die unverblümte Emotionalität der Stücke herausstellen.
I Am A Bird Now spricht von Verwandlung. Von Menschen in Tiere, von Erwachsenen in Kinder, von Männern in Frauen. Oder der Angst vor Verwandlung, von Leben in Tod: „Oh I'm scared of the middle place/Between light and nowhere/I don't want to be the one/Left in there, left in there“.

Antonys wandlungsfähiges, evokatives Stimmorgan ist dabei das passende Medium, um die unprätenziösen Erzählungen über Verletzlichkeit, Verlangen und Zugehörigkeit in die Seele des Hörers zu transportieren. Und trotz all der Beunruhigung und Zerbrechlichkeit, die Antonys Gesang heraufbeschwört, verbleibt stets ein kleiner Horizont an Hoffnung. Eine außergewöhnliche Platte von einem außergewöhnlichem Mann/Frau.

# 6 Dangerdoom: The Mouse & The Mask (Lex Records)

MF Doom ist ein „acquired taste“, wie man so schön im Englischen formuliert. Den in Großbritannien geborenen Mitdreißiger, der sich aus der Bequemlichkeit seines hypnotisierenden, monotonen Baritons nur selten zu kurzzeitigen Gefühlsexklamationen durchringt, umgibt eine nahezu magische Aura. Was nicht zuletzt daran liegt, daß er in der Öffentlichkeit nach dem Tod seines Bruders Subroc nur noch mit einer Metallmaske auftritt. Wer nach einem technisch versierten MC mit cleveren Wortspielereien sucht, ist bei ihm genau an der richtigen Adresse. Auch wenn das Dickicht seiner unzähligen Popkulturreferenzen (neben den amerikanischen übrigens auch immer wieder japanische) und obskuren Vergleiche am Anfang verwirren mag, so erschließt sich dem Abnehmer seiner oft skizzenhaften Lieder beim mehrmaligen Hören eine lustig bunte, verdrehte Welt mit allerhand subtiler Gesellschaftskritik.

DJ Dangermouse, unter anderem Produzent des letzten Gorillaz-Albums, übernimmt auch bei The Mouse & The Mask die Regie. Das Album basiert lose auf Comiccharacteren des Cartoonkanals Adult Swim. Zahlreiche kurze Sketche zwischen den einzelnen Stücken bringen auch Leute ohne Kenntnis der Comicserien zum Lachen. Das Album hat einen sehr griffigen, reduzierten Sound und die Drums klingen, passend zu den diversen Old-School-Bezugnahmen, schön rauh und dreckig. Insgesamt hat Dangermouse hier ein wunderbar kompaktes, funkiges Beatgewebe zur Verfügung gestellt, auf dem Doom seine seltsam-närrischen Raps ausbreitet. Und wann war eigentlich das letzte Mal, daß ein Rapper Shakespeare zitiert hat? "They came to ask him for at least some new tracks/But only got confronted by the beast with two backs!"

3 Comments:

At 12:30 PM, Blogger Stine Eckert said...

Willste nicht doch Musikjournalist bei der FAZ werden?

 
At 2:25 PM, Blogger www.ge.org said...

vielleicht falls bush die gesamte arabische welt erobert. aber danach siehts eher nicht aus.

 
At 7:57 AM, Blogger Stine Eckert said...

zum glück - für die arabische welt, nicht die faz.

 

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