Thursday, October 05, 2006

Hurricane

Wenn ihr mich fragt, welche berühmten (Ex)-Sportler ich bisher schon in Houston gesehen habe, hätte ich bis gestern nur Dikembe Mutombo (Houston Rockets, NBA) nennen können. Der lief uns nämlich in der Lakewood Church über den Weg, was mich so schockierte, dass ich gar nicht mehr daran interessiert war, ein Foto mit dem Mann zu bekommen.

Gestern Abend jedoch war Boxen angesagt. Verbales Schattenboxen, um genau zu sein. Rubin 'Hurricane' Carter, ehemaliger Mittelgewichtsweltmeister, war zu einer Vorlesung an der University of Houston geladen. Einige von euch kennen Dr. Carter vielleicht aus dem gleichnamigen Film, der vor einigen Jahren in den Kinos lief und in dem Denzel Washington die Hauptrolle spielt. Der 'Hurricane' war gekommen, um hauptsächlich über sich und seine Geschichte zu sprechen bzw. welche Erkenntnisse er daraus gewonnen hat. In den 70er Jahren war Carter des dreifachen Mordes für schuldig gesprochen worden, woraufhin er mehrere Jahre im Todestrakt weilte. Mehrmals wurde der Fall wieder aufgerollt, da Carter beständig seine Unschuld beteuerte. Abermals wurde er wieder für schuldig befunden. In den 80er Jahren setzte sich eine Gruppe junger Jurastudenten ein weiteres Mal mit dem Fall auseinander und im darauffolgenden Prozess konnte endlich Carters Unschuld bewiesen werden. In der Zwischenzeit hatte der 'Hurricane' sein Leben komplett geändert. Nach vielen unerträglichen Jahren im Gefängnis, war er zum Buchliebhaber, Philosophen und eifrigen Studenten des Rechts geworden, was ihm später einen Doktortitel einbrachte.

Heute versucht Carter seine Botschaft an Jung und Alt zu bringen: Der Glaube an sich selbst kann Berge versetzen. Mitnichten sollten sich die Menschen damit zufrieden geben, was sie sind, sondern stets nach Höherem streben und ihre Träume zu Zielen reifen lassen.

Das Überzeugende in Carters Rede war nicht nur die Botschaft des Selbstvertrauens, sondern auch die Art und Weise, wie er sie verbreitete. In der Tradition großer, charismatischer afro-amerikanischer Redner wie W.E.B. DuBois, Frederick Douglass oder Booker T. Washington zog er das Publikum von der ersten Minute in seinen Bann. Ausgestattet mit diesem natürlichen rhetorischen Talent und der Authentizität seines persönlichen Werdegangs verkörpert der 70jährige Carter glaubwürdig den Prototypen des Todesstrafengegners und Kritikers des amerikanischen Rechtssystems, und das mit der Vitalität eines jungen Preisboxers.

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